Kleine Geschichten aus dem Leben mit vielen Menschen

Wir möchten hier einige Gedanken und Anekdoten niederschreiben, um unsere Erfahrungen im Zusammenleben in einer Gross-WG festzuhalten. Die Entscheidung, in eine solche Wohnform zu ziehen, ist nicht einfach, denn die Möglichkeiten, Erfahrungen zu sammeln, sind gering. Vielleicht können diese Texte eine kleine Hilfe geben.

Ich habe mir die Frage gestellt:

Was ist das Wichtigste beim Zusammenleben mit so vielen Menschen?

Spontan fällt vielen “Ordnung und Sauberkeit” ein. Denn hier entstehen die meisten Konflikte. Das ist so. Jeder von uns hat eine Herkunftsfamilie und hat in diesem System seinen Platz gehabt. Vielleicht wurde einem alles nachgetragen, vielleicht musste man viel Verantwortung übernehmen, vielleicht herrschte Chaos, vielleicht ein strenges Regime. Unweigerlich werden sich Menschen begegnen, die Brösmerli (Krümel) wie ein Habicht eine Maus auf 200 Meter erspähen, auch wenn sie nicht danach suchen, und Maulwürfe, die sie nicht einmal mit einer Lupe finden würden. Zufälligerweise sind Habichte auch sehr auf Ordnung und Sauberkeit bedacht und die Maulwürfe sind hier eher stoisch unterwegs.

Und was ist nun das Wichtigste?

Der Falke kann lernen, auch mal sieben gerade sein zu lassen, und der Maulwurf darf sich eine Brille basteln.

Ich mache mal ein Beispiel (aus dem Leben gegriffen):

Abends wird der Geschirrspüler angestellt, zu spät zum Ausräumen (kommt oft vor). Oben ein Haufen Geschirr vom Abendessen. Das Dorf schläft ein. Die Lerche wacht auf, macht sich einen Kaffee und hat eine Minute Zeit, den Geschirrspüler auszuräumen. Als Zeichen, dass sie halb ausgeräumt hat, legt sie ein Geschirrtuch auf die offene Maschine. Sie lässt eine Kaffeetasse zurück.
Lerche geht. Die nächste Person macht sich schnell ein Frühstück zum Mitnehmen, hinterlässt Brösmerli, Geschirr und Besteck, räumt aber auch eine Minute aus. Ein Maulwurf schlurft herbei, macht sich ein Müsli, vergisst die Hälfte wegzuräumen, hat den Geschirrspüler nicht bemerkt, nur die einladende Biege (Stapel) oben drauf (immerhin). Ein anderer hat gerade noch Zeit, den Rest auszuräumen, macht sich einen Coffee-to-go und verschwindet, Kaffeepulver hinterlassend. Jetzt betritt der Habicht die Bühne (hat schlecht geschlafen), es sieht aus wie “Hulle”: Geschirr, Krümel, Marmeladenklecker etc. Die Laune im Keller (könnte schlimmer sein, wenn die Spülmaschine jetzt noch voll wäre ;).

Was jetzt? Was oft geschehen ist, sind Fotos und böse Nachrichten im Chat. Was löst das aus? Genau: Schlechte Laune.

Das Verursacherprinzip:

Eigentlich ganz einfach: Wenn ich etwas verursache, trage ich die Verantwortung dafür. Theorie erledigt.

Praxis, wenn Du alleine lebst:

Stell dir vor ab und zu hast Du Gäste. Alles, was im Haushalt anfällt, ist auf Deinem Mist oder dem Deiner Gäste gewachsen. Du bist zu 100% dafür verantwortlich.
Du bist oft in Gedanken und benutzt ein Glas, lässt es stehen. Hast es vergessen. Du bist oft unaufmerksam, isst, krümelst und merkst es nicht. Irgendwann sammeln sich diese Dinge an. Wenn keine Putzhilfe kommt, musst du es wohl selbst wegmachen. Die Heinzelmännchen gibt es leider nicht in Wirklichkeit.

Praxis, in einer Gross-WG:

Es kommt vor, dass man wegen nicht aufgeräumter Sachen schimpft, die man ggf. sogar selbst verursacht hat. Meistens war man es nicht. Und es wird “zu Recht” geschimpft = Stimmung im Keller. Die meisten von uns sind darauf gepolt, einen Schuldigen zu suchen. So ist es, das Muster ist fest verankert. Es hat Sprengkraft.

Im Umgang mit Kindern und in einem tollen Kurs (Kleine Gefühlskunde von Viviane Dittmar) durfte ich lernen, wie fest dieses Schimpfen in uns verankert ist. Davon wegzukommen, hin zu Wohlwollen und auf die eigenen Wunden (den eigenen emotionalen Rucksack) zu schauen, ist nicht einfach, viel Arbeit und anstrengend. Wer hatte schon eine so wunderbare Herkunftsfamilie, die uns einfühlsam und ohne zu schimpfen zu den tollen Menschen gemacht hat, die wir heute sind? Wahrscheinlich niemand. Wir müssen an uns arbeiten. Es hilft nichts 😉

Verursacherprinzip Teil 2:

Fenster werden schmutzig, Oberflächen verstauben, Filter verstopfen, Kühlschränke verschmutzen.
Dafür gibt es dann z.B. Ämtli, eine Putzhilfe und (Sams genialer Input) Wäscheklammern*.
Bei intensiveren Problemen (Maulwurf) braucht es ein Gespräch und Hilfen, z.B. ein Tablett, auf dem der Kram des Maulwurfs landet und ein Kässeli, in das der Maulwurf einzahlen darf, wenn er es bis zum Abend nicht weggeräumt hat. Das garantiert Glace für alle! Oder man findet andere Lösungen. Nur schimpfen und auf den Tisch hauen bringt zwar die angestaute Wut raus, ändert aber nichts nachhaltig, ausser die Stimmung in der Gemeinschaft.

Sei Dir also bewusst, dass das Leben in einer WG anstrengender sein kann als alleine zu wohnen. Dafür bekommst Du aber auch etwas zurück. Wenn Du das wertschätzen und ausgleichen kannst, bist Du bei uns genau richtig!

*Wäscheklammern (Chlüpperli): Kann ich gerade etwas nicht wegräumen, will mein Glas beschriften, muss was einweichen oder was auch immer = Wäscheklammer mit Namen drauf.
Habe ich eine Köstlichkeit mitgebracht, die ich mit allen teilen möchte = Wäscheklammer mit der Aufschrift “Für alle”, bringt Freude für alle!

Wie geht man nun mit dem “Zeug” und den “Krümeln” der “Anderen” um?
Die Eltern sind jetzt im Vorteil. Sie sind es gewohnt, den lieben Kleinen hinterher zu putzen (nicht, dass es ihnen Spass macht, ganz im Gegenteil). Aber sie wissen, wie es geht und haben weniger Probleme, einfach mal kurz den Lappen in die Hand zu nehmen, ein Lied auf die Lippen zu legen und die Küche wieder ein bisschen in Ordnung zu bringen. Nicht falsch verstehen, das können auch “Nicht-Eltern”! Die haben das nur jahrelang trainiert und merken es nicht mehr so stark 😉

Was also nicht als Ämtli geregelt ist und trotzdem anfällt, kann man auch einfach mal machen. Hier kann man auch gerne etwas etablieren, was auch andere wahrnehmen können #Gerngeschen: “Da hat jemand was von sich aus gemacht! Cool!”, in der Hoffnung, dass andere dann auch mal was machen. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Oder?
Wertschätzung, Wohlwollen, Nachbereitung
Es hilft zu wissen, wie andere ticken, was sie brauchen und was sie leisten. Tadaaa, da ist die Kommunikation wieder 😉

Beispiel zu den verschiedenen Charakteren:

Jemand braucht feste Zeiten und Abläufe. Ein Abweichen von Abmachungen/Regeln kann bei ihr sehr unangenehme Gefühle auslösen. Gleichzeitig nimmt sie ihre Aufgaben sehr ernst und leistet hier einen beständigen und wertvollen Dienst für die Gemeinschaft.
Eine andere Person handelt gerne situativ, lässt 5 alles beim Alten, wenn es dem Moment hilft und vergisst sowieso gerne alte Vereinbarungen (es gibt ja so viele, wer soll sich das alles merken?). Sie packt immer an, wenn es nötig ist, lässt aber auch mal etwas liegen, wenn es ihr nicht so wichtig erscheint. Mit ihrer zupackenden, spontanen Art leistet sie einen wertvollen Dienst für die Gemeinschaft.

Und wenn beide Schwierigkeiten haben, den anderen in seinem Tun zu verstehen?
Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich hier Szenarien eines Kulturclashes vorzustellen.

Hat ein Event einen After-Event-Koordinator (oder bei Projekten der Kindern einen Putzpartner), so gibt es bei Unmut nach Sausen und Experimenten einen Ansprechpartner und das ist friedensstiftend.

Die ersten beiden Punkte sind da ungleich schwieriger 😉

Warum leben wir dann doch so gerne zusammen?

  • Spontane Potluck Dinner
  • Grosses Haus, statt kleiner Wohnung
  • grosser Garten statt kleinem Balkon
  • Sharing is Caring – Weniger haben, mehr Teilen – von Bohr- bis Nähmaschine
  • gemeinsame Abendgestaltungen ohne viel Planen
  • Sauna a discrétion
  • Feste feiern (wie sie fallen)
  • Bastel-Wasteln
  • Events auf die Beine stellen
  • Wohnung/Haus zusammen gestalten
  • Bei Krankheit umsorgt werden
  • Ausflüge machen
  • Auf Partys auffallen: „Ah! Ihr seid die coole grosse WG“
  • Motivation die Küche i O zu halten